Sonntag, 18. Januar 2015

Chile Schlussbetrachtung

Eine lange Reise war es, auch wenn ich auf drei Monate "verkürzt" habe. Wie soll ich jetzt anfangen, das alles zusammen zu fassen?
Auf jeden Fall ist Chile eine Reise wert. Und ich persönlich würde es auch jederzeit wieder mit einem hier gekauften Motorrad angehen. Es ist mir so möglich gewesen, viele Orte abseits der großen Städte und vor allem abseits des Tourismus zu erreichen. Ich denke, dadurch habe ich Chile unverfälschter kennen gelernt, was aber mit meinen mangelhaften Sprachkenntnissen manchmal recht hart war. Ach habe ich viel weniger andere Reisende getroffen, als ich erwartet und vorher gelesen und gehört hatte. Nur in San Pedro kam dann alles Volk auf einmal zusammen.

San Pedro ist sicherlich die Hochburg des Tourismus in Chile, als teuerste Stadt Südamerikas wurde sie mir gegenüber auch bezeichnet. Aber mit den Möglichkeiten im Umfeld und der Lage ist die Stadt das Geld wert, die Tage dort würde ich, zusammen mit der Dakar, als Höhepunkte der drei Monate bezeichnen.

In Chile liegen Küste und die Anden eigentlich immer recht nah beieinander. Attraktiver ist, für meine Sichtweise ungewöhnlich, die Seite der Anden. Aufgrund der Wetterlage ist die Küste häufig kühl und bewölkt. Dieses schuldet dem kühlen Meer, welches Strömungen vom Südpol heran bringt und so die gesamte Küste kühlt. Im Gegensatz dazu ist es im Inland dann immer sonnig und auch fast immer angenehm warm. Die Berge, viele reichen bis auf über 6000m hinauf, sind im Sommer nicht alle von Schnee bedeckt. Die Fahrten in diese Richtung, regelmäßig bis auf über 4000m hinauf, mit einem Höchstwert von 4800m, waren Erlebnisse, die man nicht in vielen Ländern der Welt haben kann.

Die Ausmaße des Landes, also wie weit die Städte auseinander liegen, und wie wenig dazwischen liegt, kann man auch erst bei der Fahrt mit eigenem Fahrzeug erfassen. Viele Touristen reisen mit komfortablen Nachtbussen und sind dann morgens in der nächsten Stadt, die Abstände und das Nichts dazwischen konnten mich jedoch genauso begeisterten. Und erst beim langsamen Durchfahren fällt auf, an wie vielen Orten im Nichts schon versucht wurde, oder immer noch versucht wird, an Bodenschätze zu gelangen. Die freie, wilde oder eintönige Landschaft zeigt überall Spuren davon auf.

Und so kommt man unwillkürlich dazu, über die Wirtschaft in Chile nachzudenken. Denn diese beruht fast ausschließlich darauf, Bodenschätze auszubeuten. Nur im Süden wandelt sich dies, dort wird Holz und Wein angebaut. Aber Chile hat fast keine Industrie, die eine Weiterverarbeitung der Rohstoffe vornimmt. Alles wird nur ausgebeutet und dann exportiert. Und im Gegenzug kommen Unmengen an Waren aus Asien, vor allem China, ins Land. Vieles billig und von geringer Qualität, sind auch Kunden in Chile im Bilde, was sie alles nicht davon erwarten können.
Aber für viele Chilenen sind solche Billigwaren alles, was sie sich leisten können. Die Unterschiede in Einkommen und Vermögen sind in diesem Land extrem. Und daher zählt auch Bildung viel mehr als bei uns. Für Arbeiten ohne Ausbildung werden Monatsgehälter unter 300€ gezahlt, für gute Anstellungen bei großen Unternehmen aber auch leicht mal das 10-fache. Und wer auf der Straße in kleinen Mengen Waren des alltäglichen Gebrauchs verkauft, dem ist dabei noch lange kein Mindesteinkommen garantiert.
So sind Unterschiede sehr groß, und lässt Chilenen mit Besitz unruhig schlafen. Praktisch jeder hat mich gewarnt, ich müsste größte Acht auch meine Ausrüstung haben und das Motorrad nachts stets einschließen. Daraus resultierten praktisch absurde Preise für Möglichkeiten, das Motorrades nachts zu parken, für die ich insgesamt mehrere Jahre eine Teilkaskoversicherung in Deutschland hätte bezahlen können. Und als ich zu letzt doch einfach an der Straße geparkt habe, hat mir wirklich ein Dummkopf die Spiegel geklaut.

Aber hier kann man wirklich noch einmal über die Theorie nachdenken, dass reiche Menschen ihr Geld viel mehr genießen können, wenn Arme nicht so arm sind. In anderen Ländern Südamerikas muss dies aber noch viel schlimmer sein, Brasilianer sagten mir, ihr Haus sei gesichert wie ein Gefängnis. Ob es sich dort schön lebt?

Aber solche Fragen scheinen sich hier nicht viele Menschen zu stellen, denn alles entwickelt sich auf ein sehr kapitalistisches System hin. Und in vielen Details merkt man dann auch, dass viele rücksichtslos "ihr Ding" durchziehen. Das beginnt beim Straßen- wie auch im Fußgängerverkehr, beim Einchecken im Hotel ist es auch nachts um eins normal, laut auf dem Flur zu diskutieren und vier Rollkoffer über 28 Fliesenfugen zu ziehen usw.
Rücksicht kennt man nicht, wer Geld hat benutzt um so mehr die Ellenbogen.

Mit dem Gesundheitssystem bin ich zum Glück nicht in Berührung bekommen, drei Monate ist nichts passiert, Woche ich einen Arzt benötigte. Aber die Versorgung, egal ob mit Medikamenten, Benzin, Lebensmitteln usw ist flächendeckend sehr gut. Und selbst, wenn man bei der Fahrt durch die Wüste durstig wird, steht auf einmal jemand an der Straße und verkauft Getränke.

Zum Schluss bleibt auch der Eindruck, dass vieles in Chile gar nicht mehr Chile gehört. Die Energiewirtschaft wird von australischen Unternehmen geführt, Straßengebühren gehen nach Spanien, Trinkwasser gehört ausländischen Unternehmen und vieles mehr.

Abschließend kann ich durchaus sagen, dass das Reisen in Chile einfach war, einfacher aus ich vermutet hatte. Die Versorgung mit Unterkünften, Benzin, Lebensmitteln usw. stellt überhaupt kein Problem dar. So habe ich zB die gesamte Zeit meine Campingausrüstung ungenutzt bei mir gehabt. Und auch meine sehr geringen Sprachkenntnisse haben irgendwie immer gereicht. Nur die vielen, interessanten Bekanntschaften habe ich meist auf englisch oder deutsch gemacht. Mit Spanisch wären es bestimmt noch mehr geworden.